Christian Steiner
Ein «Weiter so» wird es im Kreditmanagement nicht geben
Jede Krise ist anders. Und auch wenn es gravierende Unterschiede zwischen der Finanzkrise 2008 / 2009 und der aktuellen Corona-Situation gibt, so haben alle Krisen eine Konstante: Unsicherheit.
CFOs und Ihre Kreditmanagement-Teams sind es gewohnt, Entscheidungen unter Unsicherheit zu treffen. Jedoch hat COVID-19 die Schwächen tradierter – häufig manueller – Kreditmanagement-Prozesse und der Steuerung des finanziellen Risikos schonungslos aufgedeckt.
Aktuell stehen viele Unternehmen in Deutschland und Europa noch unter dem positiven Einfluss von Rettungsschirmen und Hilfsprogrammen. Doch was passiert nach dem Auslaufen dieser Finanzspritzen? Noch unsicherer ist die Informationslage im internationalen Vergleich. Haben Sie wichtige Kunden in Asien oder in den USA? Wissen Sie, ob und welche Hilfsprogramme es in den einzelnen Staaten gibt und wie sie die dortige Wirtschaft beeinflussen?
Wo Ihnen bisher Navigationsinstrumente wie vergangenes Zahlungsverhalten, Auskunfteien und Unternehmensbilanzen geholfen haben, langfristige Prognosen abzugeben, büßen diese Instrumente in der undurchsichtigen, sich rasant verändernden Situation leider enorm an Aussagekraft ein. Unternehmen, die heute noch solvent sind, können durch den nächsten Lockdown bereits zahlungsunfähig sein. Das Zahlungsverhalten eines Unternehmens im “Standard-Modus” sagt wenig aus darüber, wie es in einer wirtschaftlich unsicheren Situation agieren wird.
Was kann das Kreditmanagement tun, um gegenzusteuern?
Sie reduzieren externe Abhängigkeiten, verlassen sich wieder stärker auf Ihre eigenen Fähigkeiten und holen das Credit Management ins eigene Haus zurück. Doch wie stellen Sie das am besten an? Hier sind unsere 5 Tipps, wie Sie Ihr Unternehmen sicher und proaktiv auch durch 2021 steuern werden:
#1 Schauen Sie über den Tellerrand bei der Informationssuche.
Ihre üblichen Informationsquellen greifen in der aktuell volatilen wirtschaftlichen Situation leider zu kurz. Nutzen Sie deshalb zusätzliche Quellen, die Ihnen dabei helfen, sich ein möglichst genaues Bild von der aktuellen Lage vor Ort machen. Durchsuchen Sie Nachrichtenseiten und Branchenportale, sprechen Sie wenn möglich persönlich mit Mitarbeitern, Kollegen oder Bekannten vor Ort. Werden Sie kreativ! Die aktuelle Corona-Statistik eines Landes kann aussagekräftiger sein als die Jahresbilanz eines Unternehmens, wenn Sie das Risiko eines erneuten Lockdowns und die damit verbundenen wirtschaftlichen Auswirkungen auf Ihren Kunden einschätzen können.
#2 Verlassen Sie sich nicht nur auf rückwärtsgewandte Daten.
Das Zahlungsverhalten Ihres Kunden im vergangenen Jahr sagt wenig aus in der derzeitigen wirtschaftlichen Situation. Die Bilanz aus 2019 ist ebenso wenig aussagekräftig für Ihre künftigen Kreditentscheidungen. Suchen Sie gezielt nach aktuellen Informationen und beziehen Sie auch andere Quellen in Ihre Suche mit ein. Aktuelle Länderanalysen von Rating Agenturen, aktualisierte Daten von Auskunfteien oder der Anruf bei einem Kollegen vor Ort geben Ihnen einen tieferen Einblick in die aktuelle Lage im Land bzw. im Unternehmen als Ihre üblichen Informationsquellen.
#3 Sprechen Sie jetzt mit Ihrem Versicherungsmakler, Ihrer Warenkreditversicherung oder Ihrem Factoringunternehmen.
Sie betreuen mehrere große Kunden in einem Risikogebiet. Ergreifen Sie die Initiative und sprechen Sie proaktiv mit Ihrem Versicherungsmakler, Ihrer WKV oder Ihrem Factoringunternehmen, noch bevor diese Ihr Versicherungslimit kürzen oder im Worst-Case streichen können. Legen Sie alle Ihre Informationen offen auf den Tisch, skizzieren Sie unterschiedliche Eintritts-Szenarien und machen Sie sich schon vor dem Gespräch Gedanken über mögliche Lösungsansätze. Das stärkt nicht nur Ihre geschäftliche Beziehung, sondern verschafft Ihnen vielleicht sogar günstigere Konditionen.
#4 Halten Sie Ihre Kunden an der kurzen Leine.
In volatilen Zeiten wie diesen gilt: Intensivieren Sie den Kontakt mit Ihren Kunden. Sie möchten jede Information über das Unternehmen erhalten, die Ihnen hilft, frühzeitig auf Risiken aufmerksam zu werden. Telefonieren Sie regelmäßig mit Ihren Ansprechpartnern. Und zwar nicht nur aus dem Credit Management, sondern auch mit anderen Funktionen wie Vertriebskollegen oder mit der Geschäftsführung. Sprechen Sie offen über mögliche Szenarien, wenn das Unternehmen morgen zahlungsunfähig werden würde. Ein Vorteil für Sie: Rufen Sie als Lieferant als erster beim Kunden an, erhalten Sie vielleicht noch bessere Konditionen und Ihre offenen Forderungen werden als erste beglichen.
#5 Verbreitern Sie den Informationsfluss in Ihrem Unternehmen.
Sie haben seit Kurzem Probleme mit einem Ihrer Kunden, Ihnen fehlt aber die Idee, wie eine Lösung aussehen könnten. Holen Sie sich andere Perspektiven in Ihrem Unternehmen ein und sprechen Sie zum Beispiel mit Kollegen aus dem Vertrieb. Haben Sie Probleme mit einem Zulieferer aus einer Risikoregion, diskutieren Sie, ob Sie eventuell in ein anderes Land ausweichen können.
Sie denken jetzt vielleicht: Schön und gut. Aber wie soll ich diese zusätzlichen Informationen in meinem vollen Tagesgeschäft noch zusätzlich recherchieren und analysieren? Die Alternative, zusätzliche Stellen dafür zu schaffen, ist in der aktuellen Situation wohl kaum eine Lösung, die Sie gern mit Ihrem Vorgesetzten besprechen möchten. Was also können Sie tun? Informieren Sie sich über die Chancen eines digitalen Risk- und Credit Management Systems. Allein in der Datenrecherche und -Aufbereitung bringt Ihnen die Digitalisierung des Credit Managements entscheidenden Wissensvorsprung.