Rolf Anweiler
Alternative Informationsquellen für ein besseres Credit Management?
Aktuell ist der Begriff „Alternative Fakten“ überwiegend negativ geprägt im Zuge der Politik – und das Unwort 2017. Als Erste gebrauchte diesen Begriff die Beraterin des US-Präsidenten Kellyanne Conway. Wenn das Team Trump Dinge behauptet, die von sämtlichen Medien als falsch nachgewiesen werden, dann würde es sich nicht etwa um Lügen oder Unwahrheiten handeln, sondern vielmehr um „alternative facts“. Was genau damit gemeint sein soll, darüber wird bis heute gefachsimpelt. Grundsätzlich sei es auch der Kollegin überlassen. Dieser Artikel beschäftigt sich in der Folge genauer mit alternativen Informationen und der Bewertung der jeweiligen Quellen für das Credit Management. Können diese – nachdem überhaupt geklärt wurde, um was es sich dabei genau handelt – gewinnbringend für operative Tätigkeiten bis hin zur strategischen Entscheidungsfindung sein? Falls ja, wie ist organisatorisch und prozesstechnisch bei der Beschaffung und Verwendung der alternativen Informationen vorzugehen? Im Grundsatz behandelt dieser Beitrag die Verwendung verschiedener Informationsquellen mit dem Ziel, kostengünstig und zeiteffizient die richtigen Entscheidungen zu treffen. Die Datenstrategie stellt insbesondere für das Credit Management heutzutage eine wesentliche Herausforderung insbesondere für Zukunftsprognosen hinsichtlich des Potentials und der Risiken von Neu- und Bestandskunden dar.
Der Credit Manager wird zum Data Procurement Manager.
Grundsätzlich erscheint die Idee durchaus charmant, dass wir die üblichen „Mainstream“-Informationen – hierunter sind die klassischen Bonitätsauskünfte bzgl. Firmen und Verbraucher zu sehen – um neue Quellen ergänzen. Welchen Informationsquellen können wir aber im Credit Management trauen? Diese Frage erscheint unter dem Aspekt, dass heute jeden Tag mehr als 500.000.000 Tweets weltweit verschickt werden und über 2 Milliarden aktive Facebook-Nutzer permanent Unmengen an Daten generieren , sehr schwierig zu beantworten. Unsere Welt hat sich komplett verändert. Ein Credit Manager hat noch vor Jahren den Tag damit begonnen, relevante Nachrichten seiner Kunden früh morgens aus den wichtigsten Zeitungen zu entnehmen. Diese Artikel und andere News-Beiträge sind inzwischen zum größten Teil online verfügbar. Ohne Zweifel befinden sich im Netz für die Bewertung von Unternehmen äußerst relevante Daten, die dabei helfen, möglichst frühzeitig Zahlungsschwierigkeiten bis hin zum Insolvenzrisiko oder auch Vertriebspotentiale zu identifizieren. Die Herausforderung liegt darin, dieses ‚Gold’ im Sammelsurium aus Gestein zu finden – ein modernes Credit Management hat sich sehr zielgerichtet mit dieser Aufgabe zu beschäftigen.
Die Idee ist im Grunde, bestehende Daten zu ergänzen und in bestimmten Situationen Entscheidungen aufgrund von schnelleren und günstigeren Daten zu treffen. In diesem Sinne wird der Credit Manager auch zum Data Procurement Manager. Zur Etablierung zielgerichteter Maßnahmen müssen die richtigen Anbieter mit den besten Preisen und der richtigen Qualität ermittelt werden. Darüber hinaus bedarf es einer entsprechenden Strategie, welche Daten für welche Kundengruppen und Prozesse verwendet werden sollen. Hierbei muss stets hinterfragt werden, inwiefern die Bonitätsauskünfte klassischer Datenanbieter zur Bewältigung alltäglicher Aufgaben ausreichen (oder vielleicht sogar ersetzt werden können?)
Klassische vs. alternative Datenquellen.
Doch wie wird überhaupt zwischen Datenquellen unterschieden und welches sind alternative Anbieter hierfür? Zweifelsfrei sind die vertrauenswürdigsten Daten die eigenen Erfahrungen (z. B. langjährige Zahlungserfahrungen). Deswegen werden sie aktuell und auch in Zukunft wesentlich dazu beitragen, Entscheidungen im Credit Management herbeizuführen. Um eine valide Zukunftsprognose hinsichtlich Potentiale und Risiken von Neu- und Bestandskunden zu entwerfen, bedarf es allerdings noch weiterer aussagekräftiger Informationen. Bonitätsdaten von Auskunfteien gelten als zuverlässige Quelle. Ratings von Warenkreditversicherungen bilden ebenfalls eine nutzbare Informationsbasis, welche den großen Vorteil hat, dass der Anbieter dem Rating mit eigenen Haftungssummen gegenübersteht. Zusätzlich bestehen Zahlungserfahrungspools (z. B. das Debitorenregister Deutschland von der Creditreform), welche den Vorteil bieten, dass sie relativ günstig sind und besonders bei größeren Unternehmen eine gute Mischung zwischen ausgewogenen und verlässlichen Daten bieten. Zudem sind sie kostengünstig und stellen zeitnahe Infos bereit. Die Einbindung bedarf allerdings eines nicht geringen systemtechnischen administrativen Aufwands kompetenter IT-Partner. Zudem sind vorab datenschutzrechtliche Grundbedingungen aufgrund der notwendigen Einmeldungen zu klären.
Neben diesen etablierten Informationsquellen besteht inzwischen eine Reihe von anderen Anbietern, welche in der Regel nicht im Speziellen auf das Credit Management abzielen und deutlich günstiger sind. Diese werden als alternative Informationsanbieter bezeichnet. Zunächst eignen sich Unternehmensdaten für Vertriebs- und Marketingzwecke grundsätzlich gut, um Unternehmensadressen im Rahmen des Neukundenprozesses zu validieren. Erfolgt dies automatisiert, beispielsweise über Schnittstellen der CRM- und der CM-Software, so erspart dies den Mitarbeitern des Credit Managements erheblich Zeit und administrativen Aufwand. Registerinformationen sind aus fast allen Ländern verfügbar. Inzwischen hat sich eine Reihe von Anbietern darauf spezialisiert, derartige Daten aufbereitet zur Verfügung zu stellen. Einen anderen Ansatz fahren Anbieter, die sich auf das sogenannte „Crawling“ spezialisiert haben. Die einfachste Methode hierzu stellt die Auswertung von Impressumsangaben und Websites der jeweiligen Unternehmen dar. Hierbei werden die Unternehmensseiten automatisch in regelmäßigen Abständen durchsucht, sodass Änderungen im Impressum oder in anderen strukturierten Informationen identifiziert werden. Beispielsweise sind Unternehmen normalerweise sehr bedacht darauf, einen Geschäftsführerwechsel oder eine Adressänderung zeitnah im Impressum oder in Signaturen bekanntzugeben, sodass diese Anpassungen schnell für das Credit Management verwertbar sind. Andere Dienstleister spezialisieren sich auf die Überwachung von Lieferketten sowie auf Risiken bzgl. geopolitischer oder klimatischer Aspekte. Viele Unternehmen hierzulande sind sehr auf diese Informationen angewiesen. So kann zum Beispiel ein Ernteausfall in Brasilien enorme Auswirkungen auf eine Nahrungsmittel produzierende Gesellschaft haben.
Social Media Monitoring – thumbs up.
Als besonders moderne Form alternativer Informationsquellen ist das „Social Media Monitoring“ zu nennen. Eine Vielzahl von Anbietern nutzen modernste Technologien, um aus den Datenmengen in sozialen Medien nicht nur relevante Informationen zu Unternehmen zu filtern, sondern diese zusätzlich in Echtzeit zu bewerten. Hierfür bieten sich die großen Anbieter wie Google oder Twitter, aber auch eine Reihe kleinerer Dienstleister, die z. B. geschlossene Foren und Spezialbranchen überwachen, an. Auf diesem Weg kann herausgefunden werden, ob in den letzten Tagen, Stunden oder Minuten negative Attribute zu einem Unternehmen oder seiner Produkte aufgetreten sind. Credit Manager können aus diesen Daten wesentliche Informationen für ihre operativen Tätigkeiten rausziehen. Verändert sich in kurzer Zeit etwas bei einem seiner Debitoren (Skandal, Streik, Gerichtsurteil, Unfall), birgt dies möglicherweise Auskunft über einen Zahlungsausfall oder zumindest einer Zahlungsverzögerung. Zweifelsohne birgt dies aber auch eine gewisse Manipulationsgefahr. In Bezug auf Qualität betritt man mit neuen Anbietern und unbekannten Daten Neuland. Bewährte Qualitätsmaßstäbe müssen hinterfragt werden. Der Versuch von Gesellschaften oder Privatpersonen, negative Nachrichten über Konkurrenten zu verbreiten oder die eigenen Nachrichten positiv aufzuwerten (auch mit dem Ziel der Aktienkursmanipulation), begleitete stets das Wirtschaftsgeschehen. Entsprechend sind wichtige Neuigkeiten, die ein vermeintliches Indiz von Zahlungs- oder Insolvenzgefahr sind, systematisch auf Richtigkeit zu prüfen. Wie kann ein Unternehmen nun verhindern, Opfer von manipulativen falschen Informationen zu werden. Eine entsprechende Organisation zu Beginn des Prozesses ist das A und O. So können vorab Quellen, Medien und Autoren bestimmt werden, welche als seriös und wahrheitsstiftend eingestuft werden. Dagegen können in einer Blacklist Quellen aufgeführt werden, welche der Credit Manager – und nur der Credit Manager – als Fake News ansieht. Insbesondere, wenn aufgrund aktuell aufkommender Nachrichten eine wesentliche Entscheidung im Credit Management getroffen werden soll, sollte die Richtigkeit ebendieser Daten z. B. durch weitere Recherche sowie durch Zweitmeinung sichergestellt werden. Hier entsteht insbesondere hinsichtlich des automatisierten Einspielens von Daten ein gewisser Zielkonflikt. Sollen Informationen schneller und automatisiert beim Credit Manager erscheinen, geht zwangsläufig auch ein Teil der Qualitätskontrolle mit über auf den Datenempfänger.
Fazit
Ein optimiertes Datenmanagement hat für den Credit Manager stets eine Qualitätskontrolle der verwendeten Daten zu Folge. Nur so können die vielen Vorteile von alternativen Informationsquellen genutzt werden. Das moderne Credit Management benötigt eine Strategie bzgl. des Mixes an Informationen, den Mut, sich selbst zu hinterfragen und sich laufend zu verbessern. Kosten sind unter diesem Aspekt ein wichtiger Faktor, aber nicht der einzige. Moderne CM-Systeme lassen sich flexibel mit diversen Datenquellen erweitern. Hierauf basierend werden Scorecards entwickelt und Simulationen auf Basis historischer Daten durchgeführt, um das ideale Setup für das Credit Management zu finden.
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